An bei der Bericht von Dr. Philippe Dahdal über seinen ärztlich-humanitären Einsatz im Casa Base in Diavata/Thessaloniki

Wir danken Herrn Dahdal für seine wunderbare Hilfe und hoffen, dass auch wieder andere Ärzte sowie sonstigen Helfer dadurch motiviert werden auch zu helfen.
Das Casa Base ist eine Oase des Friedens und der liebevollen Unterstützung direkt angrenzend an das Flüchtlingslager Diavata. Es wird von Naomi organisiert und Avicenna finanziert die Hälfte des Gehaltes der Leiterin von Casa Base sowie der Medikamente für die Flüchtlinge, die in Diavata leben. Wir können diese Hilfe nur leisten, wenn Sie uns auch in Zukunft unterstützen. Herzlichen Dank

Im Oktober 2024 durfte ich als Arzt einen humanitären Einsatz im CASA BASE, einer Einrichtung von NAOMI, der Ökumenischen Werkstatt für Flüchtlinge in Diavata/Thessaloniki (GR) leisten. Die humanitäre Einrichtung befindet sich gleich neben dem Flüchtlingscamp Anagnostopoulos in Diavata und besteht aus einem grossen Saal mitsamt Empfangsraum, Küche, Hinterhof mit Garten, sowie mehreren Räumen im 1.Stock, wo sich auch eine gut ausgerüstete Arztpraxis (mit Sonographiegerät) befindet. Neben der Einrichtung ist zudem ein grosses Warenhaus angegliedert, wo Kleider, Hygieneartikel und Nahrungsmittel angeboten werden, die aus diversen Spenden stammen.

Durch die Vorsitzende der Ökumenischen Werkstatt, Frau Dorothee Vakalis, erhielt ich eine umfangreiche Einführung in das Projekt, das sich an einem ganzheitlichen, humanistischen Ansatz orientiert, mit dem Ziel, die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen abzudecken. Dabei werden nicht nur Kleidung, Hygieneartikel und Nahrungsmittel bereitgestellt, sondern auch Sprachkurse, Nähen und sonstige Bildungsangebote, gemeinschaftliches Backen sowie interkulturelle Anlässe angeboten. Auch die kleinen Kinder konnten in Bastelkurse ihre Kreativität entdecken und in einer für sie eingerichteten Spielecke in fantastische Welten eintauchen.

Ich war tief beeindruckt vom grossen Engagement der Volunteers, die aus sieben verschiedenen Nationen zusammenkamen, und sich unter der Leitung von Maria
Eleftheriadou mit viel Hingabe und Ideenreichtum dem Projekt widmeten. Kurzzeitig kam auch eine ehemalige, damals aus Afghanistan mit ihrer Familie geflüchtete junge Frau zu Besuch, mittlerweile in Deutschland und kurz vor dem Studium. Wir trafen uns täglich um ca. 10:00 zum Rapport und besprachen die Stationen des anstehenden Tages. Als medizinisches Fachpersonal war man auch ein Teil des Teams, und durfte je nach Möglichkeiten auch Kurse gestalten und anbieten. Ich hatte die Gelegenheit, für die Volunteers einen Workshop über Traumafolgestörungen abzuhalten.

Die aus verschiedenen Krisengebieten, von Krieg und Verfolgung geflüchteten Frauen und Mädchen, konnten im CASA BASE einen sicheren Ort vorfinden, der ihnen auch als Rückzugsraum diente, als Ort des Austausches, der Zusammenkunft und der Selbstwirksamkeit. Auf verschiedenen Ebenen konnten vertrauensvolle Beziehungen angeboten werden, die sicherlich auch die Basis für vertrauensvolle Arzt-Patienten Gespräche bildeten.

Meine Hauptaufgabe bestand in der medizinischen Betreuung und Behandlung der Menschen, die um ärztliche Beratung fragten. Die meisten Menschen, die sich medizinisch untersuchen lassen wollten, litten an Infektionserkrankungen, v.a. bronchopulmonale Infekte, HNO-Infekten sowie allergische Reaktionen der Schleimhäute.
Ebenfalls kamen Wurmerkrankungen, v.a. bei kleinen Kindern vor, sowie Hauterkrankungen, davon Scabies, Mykosen und infizierte Wunden. Die beschwerliche Reise rissen Wunden, meistens an den Füssen und Beinen, die sich dann infizierten und oftmals antibiotisch behandelt werden mussten. Unfälle und Stürze führten zu schmerzenden Gelenken und muskuloskelettalen Beschwerden, die ich klinisch nach dem Vorliegen eines Bruches untersuchte und meistens vorerst pragmatisch analgetisch behandelte. Auch kamen einige schwangere Frauen mit Übelkeit und Erschöpfungszuständen, sowie ältere Menschen mit pulmonalen Symptomen und sonstigen Infektionskrankheiten.
Täglich fuhren wir vorerst in die Apotheke, wo die benötigten Medikamente abgeholt wurden. Die Medikamente wurden von Spendengeldern des Kultur- und Hilfswerks Avicenna finanziert. Ein weiterer wertvoller Bestandteil des Konzepts waren die Begleitung- und Beratungsangebote durch Hebammen, sowie einer Sexualberatung durch eine Fachorganisation.

Als Psychiater interessierten mich auch die Gemütszustände der Menschen. Ich konnte mich auf arabisch mit ihnen unterhalten, und so öffneten sie sich mir gegenüber, und berichteten über die schwierigen Umstände ihrer Flucht aus dem Heimatland und ihrer Lebenssituation. Der beschwerliche Migrationsprozess, gezeichnet durch Ungewissheit, Bedrohung und Verfolgung, dann die Akklimatisierung an die neue Umwelt und die Belastung im Flüchtlingslager, durch Mauern und Zäune abgegrenzt, führten zu einer massiven psychischen Belastung und erforderten eine erhebliche Anpassungsleistung. In diesem Sinne wird von einer „Anpassungsstörung“ mit depressiver Reaktion gesprochen. Oftmals fühlten sich die Menschen schon besser, wenn sie in ihrer Not verstanden und einfach menschlich aufgenommen und behandelt wurden. Schwere Depressionen zeigten sich öfters durch Schlaf- und Appetitstörungen, sowie einer körperlichen Schmerz- und Erschöpfungsproblematik. Ebenfalls zeigten sich gehäuft posttraumatische Belastungsstörungen, wobei die Betroffenen von flashbacks und hyperarousals berichteten. Ein junger Mann aus dem Irak, Narben an seiner linken Körperhälfte, angerichtet durch eine Bombe, berichtete von flashbacks und hyperarousal-Zuständen, in denen er völlig desorientiert und impulsiv mit seinem Kopf gegen die Wand schlug, um der emotionalen Übererregtheit entgegenzuwirken.
Mich berührten die Schicksale dieser vielen Menschen, die ihr Heimatland oftmals fluchtartig hinter sich liessen, auf der Suche nach einem sicheren Ort für sich und ihre Kinder. Das, was so natürlich und „naturgegeben“ erscheint, verliert seine Selbstverständlichkeit. In der unmittelbaren Erfahrung wird man zum Zeuge dieser Ungerechtigkeit. Umso mehr berührte mich die Dankbarkeit dieser Menschen, die sich tausendmal bedankten, wenn sie aufgenommen und behandelt wurden, und ein Medikament erhielten.
Letztlich war es der reiche, interkulturelle Austausch mit den grossartigen Menschen, ob Volunteer oder Geflüchtete, die dieses Erlebnis zu einer wertvollen Erfahrung machten, beide dienten einander, beide schufen eine Welt der Wertschätzung und des Austausches in einem kleinen Ort, an dem sich doch Zeichen einer tiefen Menschlichkeit offenbarten.

Dr. Dahdal Philippe

Spielecke

Gemeinschaftsraum