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Natascha im Casa Base

Vor gut 8 Jahren bin ich das erste Mal mit Bita und Khalil in der Türkei unterwegs gewesen. Dieses Mal bin ich allein im Namen von Avicenna los.

Mein Ziel war Casa Base, ein Safe-House für Frauen und Mädchen, neben einem Flüchtlingscamp. Casa Base wurde von Mauricio geschaffen, um den Frauen und Mädchen einen Platz zu bieten, wo sie unter sich sein können und gleichzeitig verschiedene Möglichkeiten haben, zu lernen oder sich zu beschäftigen. Mauricio ist letztes Jahr ganz plötzlich verstorben. Inzwischen hat Maria seinen Platz eingenommen und von ihr wurde ich auch empfangen. Maria´s Stelle wird zur Hälfte von Avicenna finanziert. Und dieses Geld ist wunderbar investiert. Sie ist ganz und gar da, für die Frauen und Mädchen, aber auch für die Männer, die nur bis an die Tür dürfen, aber auch ihnen wird geholfen bei der Zahnarztsuche oder anderen Fragen. Sie ist immer freundlich, aber hat durchaus auch eine bestimmte, aber keinesfalls dogmatische Art, um die Regeln einzuhalten. Sie ist für jeden Volunteer da und erklärt alles 100 mal ohne dabei irgendwie aus der Fassung zu kommen, auch wenn es aus jeder Ecke “Maria” ruft und das Handy in ihrer Tasche zum 15. Mal klingelt. 

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Der Tag in Casa Base beginnt um 10.30 Uhr mit einer Besprechung. Es sind Volunteers aus der ganzen Welt da. Und wir legen fest, wer welche Arbeit übernimmt und welche Workshops anbietet. Um 11 wird das Tor geöffnet, vor dem immer schon jemand wartet. 

Eine Aufgabe als Volunteer ist der “Guardian”. Am Eingang werden alle mit Name, „Hausnummer“  (eigentlich Containernummer) und was sie benötigen, notiert. Es gibt Termine, um im Lagerhaus Kleidung auszusuchen. Und sofort wurde von einer Gruppe junger Frauen der Fernseher angemacht, Musik gehört, Popcorn zubereitet und gekichert.

Derjenige von uns, der für die Küche eingeteilt ist, bietet den Frauen Kaffee und Tee an und serviert Kekse und Schokocreme-Brote, was eben da ist. 

Einer von uns kümmert sich um die Kleiderverteilung. Jede Familie darf alle 2 Monate einmal kommen, um für alle Kleidung auszusuchen. Sie bekommen eine Stunde Zeit, um die  Klamotten auch anzuprobieren. Und der Rest darf im Kleiderlager die vielen gespendeten Kartons öffnen und den Inhalt sinnvoll sortieren. Eine endlose Geschichte.

Und dann laufen täglich die verschiedensten Angebote. Sehr beliebt sind die Sprachkurse. Vor allem deutsch und französisch sind gut besucht, aber auch englisch. Es gibt einen Nähkurs für Anfängerinnen und einen für Fortgeschrittene. Da stehen die Damen Schlange an den Maschinen, um sich eigene Kleidung zu nähen. 

Auch der Fotokurs 2 mal wöchentlich ist bei den jungen Frauen sehr beliebt. Diese beiden Kurse werden fest von 2 Frauen geleitet, die in Thessaloniki wohnen. 

Und dann dürfen wir uns auch noch einbringen mit dem, was wir so können. Es gibt Musik, Häkeln, Spielen mit den Kindern. Ein Kompost wird gebaut, die Hebamme bietet Stillkurse an und ich bringe mich mit meinen ätherischen Ölen ein, die ich immer dabei habe. Sie dürfen sich ein Parfum mischen und an anderen Tagen biete ich den Frauen Handmassagen an. Der Plan war eigentlich, dass ich sie anleite, sich gegenseitig Handmassagen zu machen. Aber clever wie sie sind, wollten sie sich von mir massieren lassen. Und so suchten sie sich ihre Düfte aus und ich massierte Hände. Es war so wunderbar zu sehen, wie sie es genossen! Eine strahlte mich glücklich an und meinte, dass es ihre erste Massage in ihrem Leben sei. Es wurden Fotos gemacht, eine rief ihre Mutter per Videoanruf an und zeigte ihr, was gerade passierte. Genüßlich wurden die Augen geschlossen und tief durchgeatmet. 

Aber auch Yoga übte ich mit ihnen und als wir im Lager Nagellack gefunden haben, wurde eine Runde Nägel lackiert!

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Ich bin Kinderkrankenschwester. Bei meinem ersten Aufenthalt 2015/16 in der Türkei, als ich mit Bita und Khalil unterwegs war, haben wir uns hauptsächlich um gesundheitliche Belange der Geflüchteten gekümmert. Wir hatten einen Tisch aus dem Sperrmüll gezogen, den mit in die Camps genommen und darauf unser „Sprechzimmer“ eingerichtet. Es wurden Wunden versorgt, schmerzende Stellen untersucht und Medikamente für alles Erdenkliche ausgegeben. Auch bei meinen weiteren Aufenthalten war das ein Schwerpunkt..

Hier gibt es im Camp einen Arzt, 2 Hebammen und auch eine Krankenschwester. Die Geflüchteten können ins Krankenhaus und werden dort versorgt, für Medikamente müssen sie selber aufkommen. Da wir nicht ins Camp dürfen, bringen die Menschen ihre Rezepte ins Casa Base. Maria holt in jeder Mittagspause die Medikamente in einer Apotheke ab. Für die Kosten kommt unter anderem seit Jahren Avicenna auf. Alles was ich tun kann, ist im Medikamentenschrank im Casa Base zu schauen, ob das, was benötigt wird, vielleicht dort zu finden ist.

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Mit unter den Volunteers waren unter anderem eine Hebamme und eine weitere Krankenschwester. Gerne hätten wir mehr tun wollen, aber uns waren die Hände gebunden. Wir hatten ein kurzes Gespräch mit einer Hebamme aus dem Camp, bei dem rauszuhören war, dass sie viel zu tun haben. Aber dass wir bitte keine Sprechstunden abhalten sollten, damit nicht doppelt behandelt wird. Ich weiß, dass gerade Schmerzmittel gerne genommen werden, und verstehe natürlich die Problematik, wenn sie aus 2 Quellen Medikamente erhalten.

Aber dann saß eine Frau aus Somalia vor mir, die einen Wirbelbruch hat. Sie trägt ein Korsett und als ich sie mit in den ersten Stock ins Behandlungszimmer nahm, kam sie kaum die Treppen hoch und als sie wieder runter musste, machte sie das im Sitzen. Ich habe ihr natürlich eine Schmerzsalbe aus dem Vorrat gegeben. Das konnte ich reinen Gewissens vertreten. Und bei medizinischen Fragen waren Bita und Khalil stets übers Handy zu erreichen.

Da die medizinische Versorgung bei diesem Einsatz nicht im Vordergrund stand, hab ich das gemacht was anstand. Ob Kinderwagen und Nähmaschinen aus einem Lager zu holen oder Essen und Hygieneartikel in Tüten zu packen. 85 Familien aus dem Diavata-Camp werden unterstützt. Sie sind nicht von unseren Essensspenden abhängig, es ist nur ein kleines Extra. Die griechische Regierung kümmert sich um die Versorgung in Form von Catering. Sobald sie jedoch den Asylanten Status haben, gibt es von der Regierung keine Unterstützung mehr und sie müssen selbst schauen, wie sie über die Runden kommen. Die Essensverteilung findet alle 2 Wochen statt.

Von 13 – 14 Uhr ist Mittagspause und Casa Base geschlossen. Es warten schon die ersten Frauen und Mädchen wenn sich das Tor wieder öffnet. Sofort tönt wieder Musik durch die Räume. Die einen kommen zu ihrem Termin, Kleidung auszusuchen, die anderen kommen einfach nur, um in Ruhe zu sitzen und quatschen oder um die Workshops zu besuchen. Bis 17 Uhr, dann wird Casa Base von den Volunteers geputzt.

Ich habe bei einer lieben deutsch-griechischen Familie im Gästehaus wohnen dürfen. In Panorama, einem sehr wohlhabenden Vorort von Thessaloniki. Ist Thessaloniki gekennzeichnet durch Hochhäuser Reihen bis ans Meer, sieht man in Panorama Villen und Einfamilienhäuser. Wenn ich morgens los wollte, dann fuhren mein Panda und ich durchs Tor des mit einem hohen Zaun gesicherten Grundstücks. Wenn ich beim Camp Diavata angekommen bin, dann hielt mich ein Zaun (und Mauer) davon ab, dort hineinzukommen. Für mich war es ganz ungewohnt, von so vielen Zäunen umgeben zu sein. Bin ich doch so ein freiheitsliebender Mensch. Und obwohl es jeweils ein Zaun ist, fühlte es sich doch komplett unterschiedlich an. In Panorama, innerhalb des Zauns, waren ich und mein Auto geschützt. Am Camp außerhalb des Zauns wurde am ehesten meine Seele davor geschützt, sehen zu müssen, wie Menschen Wochen, Monate und Jahre leben müssen, weil sie vor Krieg und Hoffnungslosigkeit geflohen sind.

Hoffnungslosigkeit geflohen sind.

In Panorama fühlte ich mich sicher und mit einem Knopfdruck auf die Fernbedienung des Tors stand es mir frei, dorthin zu fahren, wo ich gerade Lust habe. Was für ein Privileg! Schaute ich auf´s Camp, dann fühlte es sich eng an. Ich frage mich, ob sich die Menschen darin sicher oder eingesperrt fühlen?

Eine große Herausforderung war es für mich, “Nein” sagen zu müssen. Und wenn es nur um einen Spülschwamm ging.  „Nur für mich!“ versuchte sie es weiter. Ich erklärte ihr, dass wenn ich ihr einen Schwamm gebe, am nächsten Tag 10 Frauen kommen und am übernächsten 50. Dieses Argument kannte sie natürlich, versteht es auch aber versucht es trotzdem. Später war diese Frau im Kleiderlager und hat sich zwei Kopftücher angeschaut. Als ich zufällig dazu kam (es war sonst niemand dort) und sie mit einem Zwinkern daran erinnert habe, dass sie dafür einen Termin machen muss und doch weiß, nur alle 2 Monate…, lächelte sie wieder und tänzelte mit den 2 Schals davon. Und schon kamen 2 andere Frauen, die nur mal schauen wollten und da ein T Shirt einsteckten und ein Paar Schuhe in der Hand hatten. Ach wie ich das hasse, Nein sagen zu müssen. Auch zu den Jungs, die den Mädchen durchs Tor zuschauen mussten, wie diese Inliner fuhren. Wegen mir, und da ging es den anderen Volunteers und Maria genauso, dürften sie alles haben!!! Aber dann bricht dieses System zusammen.

Khalil hatte mich gefragt, wie es mir mit der Arbeit in Casa Base ging. Und ich habe ihm gesagt, dass die medizinische Versorgung für mich einfacher ist. Da bekommt jeder Hilfe der fragt.

Aber ich hatte das große Glück, dass Avicenna mir Spendengeld zur Verfügung stellen konnte. Und so bin ich nach vielen Recherchen, wo es am billigsten ist, los zum Einkaufen. Und das für ALLE!

Babyflaschen, Schnuller, Feuchttücher, Pampers, Damenbinden, Kondome, Spülschwämme, Unterwäsche und Socken…Und stellte für 3 Familien ein Set zum Kochen zusammen. Auch konnte ich für Casa Base eine Waschmaschine kaufen.

Und da wieder eine Essensverteilung anstand, bin ich auf den Markt und habe 85 kg Kartoffeln und Karotten gekauft, damit auch was Frisches mit in die Tüten kam.

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DANKE an alle, die mir das mit ihrer Spende möglich gemacht haben! Oft höre ich, was das für eine tolle Arbeit ist, die ich da mache, werde als mutig bezeichnet. Für mich ist das die befriedigendste Arbeit, die ich je in meinem Leben gemacht habe. Und um dort so wirken zu können, sind wir auf diese Spenden angewiesen. Tausend Dank an all die mutigen Spender, die Avicenna dieses Vertrauen entgegenbringen, dass wir das Geld dort anbringen, wo es gebraucht wird. Seien Sie sich dem Dank der ganzen Frauen bewusst!!! Den Kuchen habe ich alleine am Flughafen gegessen…

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 … die Geste gilt Ihnen allen!

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