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Ärztliche Versorgung im Osten der Türkei

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Die Ärztin für Allgemeinmedizin Susanne Schnorr war im Oktober 2016 gemeinsam mit unserem syrischen Helfer Tamer im Osten der Türkei in diversen Camps unterwegs und kümmerte sich vor Allem um die ärztliche Versorgung.

Hier ihr erster, kurzer Bericht:

Das Baby war ein Frühchen und wog bei der Geburt 1.300 g. Jetzt, nach 6 Wochen, ist seine Welt zwischen Großmutter und Mutter noch in Ordnung. Für die große Schwester aber schon lange nicht mehr.

Während wir die Kinder in dem Zelt untersuchten, rasten über unseren Köpfen Kampfflugzeuge Richtung syrische Grenze … in den Augen der Kinder nur Angst!

 

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Es ist nicht einfach das zu sehen … es ist doch immer nur ein Augenblickstropfen auf einer heissen Herdplatte … und all die Kinder ohne Zukunft!

 

Zusätzlich zur medizinischen Versorgung werden mit den Spendengeldern von Avicenna Decken und Essen gekauft. Frau Schnorr hat die Medizin gespendet und sie hat auch jedem Camp eine Basistüte für Erkältung, Durchfall, Augentropfen, Schmerzen etc. zur Verfügung gestellt.

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Hier der ausführliche Bericht von Frau Schnorr:

Im Oktober habe ich 10 Tage als Ärztin für das Avicenna Hilfsprojekt in der Südost Türkei, in der Nähe von Adana, in verschiedenen Flüchtlingscamps gearbeitet. Dort, nicht weit von der syrischen Grenze, fand ich eine ganz eigene Flüchtlingssituation vor:

In diesen verstreut liegenden Camps von ganz unterschiedlicher Größe leben vorwiegend syrische Familien, die vor den Kämpfen in der Gegend um Aleppo geflohen sind. Menschen, die einen sicheren Platz für ihre Familien gesucht haben, die lange gewartet haben, vielleicht länger als andere, ihr Zuhause, ihre Felder zu verlassen. Einfache Menschen, oft ohne Schulbildung. Ein Grossteil von ihnen wird nicht weiterziehen, eher wirken sie dort „gestrandet“.

Die türkische Regierung lässt sie weitgehend unbehelligt, aber sie bekommen auch kaum Unterstützung. Die Männer arbeiten als Gelegenheitsarbeiter auf den Feldern der türkischen Landbesitzer und in der Regel werden sie in Naturalien bezahlt!

Ich hatte einen syrischen Dolmetscher, der zugleich mein Fahrer war. Tamer, es war eine spannende Zeit mit ihm, in der es für mich viel zulernen gab: Seine große Liebe zu den Kindern beeindruckte mich immer wieder. Das Verteilen von Vitaminbonbons, von Apfelsinen und Luftballons machte er immer zu einem kleinen Freudenfest, während ich oft schon weiter wollte, angesichts der unübersehbaren Zahl der Menschen, die irgendwo warteten. Aber das Lachen der Kinder gab ihm recht.

Gearbeitet haben wir in den Zelten auf dem Boden, oft bei nicht sehr gutem Licht. Das Zelt füllte sich schnell, zuerst mit den Müttern mit ihren Kindern, dann mit den älteren Frauen und zum Schluss kamen die Männer.

Der Lärm war oft unbeschreiblich: Neugierige drängten in den Zelteingang und nahmen das letzte Licht, manches Mal musste Tamer ein Machtwort sprechen.

Vorwiegend hatten wir mit Durchfällen, mit Erkältungen, Rückenschmerzen und dem -àll body pain- zu tun. Es gab viele Hauterkrankungen, Ekzeme, Allergien und Pilzbefall. Bei den jungen Frauen, die stillten und wieder schwanger waren, gab es viele mit Erschöpfungszuständen, mit vegetativen Dysregulationsstörungen. Ich verstand schnell, dass jeder etwas in die Hand bekommen musste, auch die Menschen -und die gab es durchaus- die wenig oder gar nichts hatten, so als würden die Vitaminbrausetabletten, die wir großzügig an alle verteilten, die schwierigen Lebensumstände für einen Moment verbessern. Das Kochen am offenen Feuer führt immer wieder zu zum Teil schweren Verbrennungen. Da war es oft nicht einfach die Patienten für den Verbandswechsel wieder zu finden. Groß war dann aber die Freude, wenn sie mir ihr jetzt wieder „schönes Bein“ vorführen konnten, natürlich nachdem Tamer lautstark unter Lachen aus dem Zelt geschickt wurde.

Ernstere chronische Leiden wurden oft mit großer Würde ertragen.

Meine Irritation am Anfang über die vielen Säuglinge und Schwangere in einer so ausweglosen Situation wich dann doch einem tieferen Verständnis: das Bedürfnis nach Nähe und Familie ist das, was am stärksten greift. Trotzdem ist das ein sehr ernstes Problem, genau wie die vielen größeren Kinder ohne die Möglichkeit zur Schule zu gehen.

Medizinisch ist das Hauptproblem die unsichere Versorgung mit sauberem Trinkwasser und jetzt, da es kälter wird, die mit Sicherheit rapide ansteigenden Zahl der Erkältungen mit all den Komplikationen.

Am Abend war dann der tiefe Wunsch, dieser Krieg möge endlich enden viel greifbarer als ich es von zuhause kannte. Und jetzt wieder daheim, sind meine Gedanken bei den Familien dort, im beginnenden Winter.

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