|

Thessaloniki im Oktober 2020

Thessaloniki – Wir arbeiten als Ärzte in den Lagern außerhalb der Stadt

Viele aus Moria und den anderen Lagern auf den Inseln sind hierhin geschickt worden. Viele kommen aber auch über den Landweg aus der Türkei und leben oft schon seit über einem Jahr hier. Insgesamt leben in und um Thessaloniki über 10.000 Flüchtlinge in etwa achtzehn Camps bzw. auf der Straße und zum Teil auch in vom Staat gestellten Wohnungen.

Bevor sie als Asylbewerber registriert werden, leben sie in Zelten in den Camps und bekommen Mahlzeiten zugestellt. Ohne Papiere haben sie kein Anrecht auf medizinische Versorgung. Nur Notfälle werden ins Krankenhaus gefahren. Diejenigen, die einen Asylantrag gestellt haben, dürfen dann in die Container und bekommen eine Geldkarte über 150 Euro für Erwachsene und 60 Euro pro Kind pro Monat. Damit müssen sie sich mit allem versorgen, Nahrung, Kleidung, Hygieneartikel, Handy, Transport und auch Medikamente. Nur eine notdürftige, ärztliche Behandlung und in manchen Lagern auch Schulunterricht bis zum 16. Lebensjahr ist kostenlos.

Sobald die Menschen in Griechenland offiziell registriert sind, bekommen sie keinerlei weitere Unterstützung. Sie müssen sich dann selbst versorgen und auch die Container verlassen. Das Gleiche gilt für die ebenfalls weit über 10.000 Flüchtlinge in Athen, die ihre vorübergehenden Wohnstätten in leer stehenden Gebäuden, die sogenannten Squads, inzwischen verlassen mussten und meist in Zelten oder auf der Straße leben.

Mit der Anerkennung bekommen sie zwar eine Arbeitsgenehmigung, aber bei der hohen Arbeitslosigkeit besteht kaum Aussicht auf Arbeit. Daher versuchen viele in den Camps zu bleiben, landen in viel schlechteren Zelten als vorher und suchen oft in den Abfällen von den Wochenmärkten nach Essen oder Ziehen von Charité zu Charity, um Essen für ihre Familien zusammen zu bekommen.

Viele warten seit Jahren darauf, ihren Familien nachreisen zu dürfen und viele bereichern weiter die Schmuggler bei dem Versuch illegal weiter zu reisen. Wie auch zuvor sind die meisten medizinischen Probleme, vor allem außerhalb der Container Siedlungen, die Folgen der Mangelernährung und der schlechten hygienischen Verhältnisse, viele Hautprobleme, infizierte Wunden und Insektenstiche am ganzen Körper, Milben, Haarausfall etc.

Wir arbeiten zusammen mit Maurizio, dem Gründer und einzigem ständigen Vertreter des QRT (Quick response Team). Er hat mit Unterstützung der griechischen NGO Naomi aus Thessaloniki eine alte Halle direkt neben einem, bewusst von uns nicht genanntem, großen Camp ausgebaut und mit ein paar jungen, ständig wechselnden, freiwilligen Helfern dort eine Oase für Frauen und Mädchen geschaffen. Dort können sie sich entspannen, lachen, malen und je nachdem, welche freiwilligen Helfer aus Europa da sind, auch lernen.

Händeringend sucht er ständig nach HelferInnen. http://www.quickresponseteam.gr/en/home-2

Wir beglichen die verbliebenen Schulden von Naomi bei der Apotheke und können mit der großzügigen Spende von Pro Humanität seine Apotheke für die nächsten Monate einrichten und füllen, so dass sowohl die staatlichen als auch freiwilligen Ärzte, wie wir, arbeiten können.

Maurizio kennt jede Familie im Camp und deren persönliche Probleme und aus seinem Lager versorgt er auch weitere Camps mit Hilfsmitteln. Während wir am ersten Tag noch vom Auto aus und auf Pappkartons in Mitten der Zelte gearbeitet haben, verbessert sich die Arbeitssituation unserer „Feldklinik“ nach dem Besuch eines Campingladens durch den Kauf einer Gartenliege, eines Campingtischs und einiger Hocker. Aber das Wichtigste, was wir den Menschen geben können, ist durch Zuwendung die Hoffnung, dass Europa sie nicht ganz im Stich lässt. Denn nach all den Strapazen bis hierher zu kommen, ist ihnen jetzt bewusst, dass sie nach der offiziellen Registrierung ganz auf sich alleine gestellt sind. Die Menschen sind am Ende des Weges nach Europa angekommen.

Die folgenden Bilder veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von Kim Ehmer und Bastian Schertel.

Ähnliche Beiträge

  • |

    Neues aus Idlib

    Hilfsaktion in Idlib Der seit Monaten wütende Kampf um die letzte Bastion der syrischen Regimegegner hat Schulen, Häuser und Krankenhäuser zerstört und eine Million Menschen in Richtung der verschlossenen Grenze zur Türkei gedrängt. Dort sitzen sie jetzt fest: frierend, hungrig und weiteren Übergriffen mit den Waffen der Großmächte ausgeliefert. Unseren, mit Unterstützung unserer Freunde, den…

  • |

    Athen im März 2018

    Athen im März 2018 – Bita und Khalil waren vor Ort Im Stadtteil der „Anarchisten“ in Athen leben zu Beginn des Frühlings 2018 etwa 3.200 nicht registrierte Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Nahen Osten und Afrika in etwa zwanzig Unterkünften. Staatliche Hilfe, in Form einer kostenlosen medizinischen Versorgung oder einem Taschengeld von 100 Euro im Monat…

  • |

    Moria im Winter 2019

    Die Situation in Moria ist im Winter immer am schlimmsten. Aber in diesem Winter ist es schlimmer denn je, weil die Bevölkerung innerhalb und außerhalb des Lagers zugenommen hat. Ursprünglich für zweitausend Menschen geplant, leben dort heute ca. 16.000 Menschen, davon etwa 4.000 Kinder, etwa die Hälfte im Lager selbst, die andere Hälfte außerhalb in…

  • |

    Das Wunder des Alltags in Idomeni

     Unsere Eindrücke von Idomeni   Die Fotos und Nachrichten hatten uns schon von den Strapazen erzählt, denen die Menschen hier in Idomeni ausgesetzt sind: Wo ihr Weg nicht weiter führt, vom wochenlangen Ausharren in Schlamm und Kälte, in engen Zelten, mit gerade soviel Essen und Unterstützung, das es zum Überleben reicht. Von der fehlenden Perspektive…

  • |

    Athen im Winter 2018

    Im Exarchion Park im Anarchistenviertel Athens brennt Tag und Nacht das Feuer, an dem sich die jungen Männer, die auf ihrem Weg nach Europa hier hängen geblieben sind, etwas aufwärmen. Frauen und Kinder sieht man kaum. Sie verbringen die meiste Zeit in den Unterkünften und wenn es keine Heizung gibt, unter der Decke. Zehn Unterkünfte,…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert