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Warten, aber auf was?

Warten
Kinder warten offensichtlich nicht, zumindest die Kinder hier. Sie beschäftigen sich mit irgendetwas oder sind einfach nur da, blicken dem Augenblick in die Augen. Auch die Frauenaugen hier blicken offensichtlich weder in die mit Sicherheit schwere Vergangenheit noch in die völlig unsichere Zukunft, sondern auf ihr bisschen Beschäftigung, die wenigen Kartoffeln, die es zu schälen gibt oder die paar Zweige, die es für das Feuer zu bündeln gibt.

Die Männer und übrigen Frauen arbeiten auf den Feldern. Einzig die zum Schutz ihrer Frauen und Kinder, oder weil es nicht genug Arbeit gibt, im Lager gebliebenen Männer scheinen mir am offensichtlichsten zu warten. Ein zielloses Warten, ohne Hoffnung, dass etwas passiert. Hier passiert nichts! Das passieren war vor 2 Wochen oder vor 8 Monaten, als sie noch in Syrien waren und dann hierher kamen, in dieses oder jenes Zeltlager.

Dieses hier haben wir heute einen Tag vor dem 4. Advent entdeckt, nicht ganz als erste, denn es gibt hier elektrische Heizöfen von UNHCR, nur leider kein ausreichendes Stromnetz dafür. Fünfzig Familien konnten wir zählen. Insgesamt wurden bisher ca. 45 Camps in der Umgebung von Torbali gefunden und die wenigen NGO’s , die hier versuchen zu helfen, bringen immer wieder etwas Holz, Zelte, Nahrung etc.

Eine medizinische Versorgung gewährleistet offiziell der Staat, praktisch durchführbar ist sie schwierig. Unser irakischer Übersetzer wartet seit Monaten auf eine Laboruntersuchung für seine Frau. Auch ein Schulbesuch ist offiziell für die Kinder möglich, aber es gibt keine Einführungskurse in die türkische Sprache und keinen Transport von den zumeist entlegenen Camps in eine Schule. Auch müssen die älteren Kinder auf ihre kleineren Geschwister aufpassen. Also weiter in den Tag hinein leben, ohne Gedanken an eine Zukunft. Zum Glück trübt das nicht die Blicke der Kinder, die auch wenn sie zuhause wären, wahrscheinlich auch nicht alle zur Schule könnten. Bleibt das Warten der Männer und sicher auch die Hoffnung der Frauen, darauf irgendwann zurückkehren zu können, in eine Heimat, die es so nicht mehr gibt.

Und was bleibt uns, die wir im Luxus leben, anderes übrig, um unser Herz ein wenig zu besänftigen? Da wo wir es können ein wenig die Not zu lindern.

Vergleichen
Die Kinder hier vergleichen offensichtlich nicht. Vielleicht kennen Sie kein besseres Leben. Die meisten haben als Kinder syrischer Bauern auch vorher im Winter gefroren und wenn es nichts zu ernten gab, gehungert. Die Eltern fragen schon Mal nach einer Jacke, wenn sie nur einen Pullover haben und wir einen Mantel oder hätten gern auch ein Zelt für sich, wie die anderen Familien. Ich komme aus dem Vergleichen nicht mehr raus, so viele nackte, blau gefrorene Kinderfüße laufen mir auch nachts noch durch den Kopf. Wie gut haben wir es, dass wir die Ohnmacht unseres Herzens auf Grund der Vergleiche unseres Kopfes ein wenig dämpfen können, in dem wir etwas Kleidung, Zelte oder Holz verteilen dürfen.

 

 

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